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Das reine Recht

发布者:admin_zdfxy   发布时间:2007年12月06日 00:00   

Das reine Recht

 

                                                    XIE Huaishi, 1919-2003

 

                                                                                 Frank Miinzel

 

XIE Huaishi wurde am 15.8.1919 in Zaoyang Provinz Hubei, Chinageboren. Seine Studienzeit fiel in die schlimmsten Jahre des Krieges gegen Japan, die Studienbedingungen waren erbärmlich. Davon schrieb er aber nichts, als er sich 60 Jahre spatter erinnerte,, 1938 bestand ich die Aufnahmeprüfungder Zentralen Politischen Hochschule, die damals ihren Sity aus Nanking nach Chongqing verlegt hatte. Im ersten Jahr Wurden wir nicht in Fakultäten getrennt, sondern hörten alle dieselben allgemeinen Kurse-Chinesisch, chinesische Geschichte, Politologie, Wirtschaftswissenschaft, Abrißder Philosophie, Englisch usw. Mit dem Eintritt ins zweite Jahr mußten die Studenten angeben, welche Fakultät sie besuchen wollten. Um ihnen die Wahl yu erleichtern, ließ die Hochschule die Dekane der einzelnen Fakultäten den Studenten erklären worum es bei ihnen ging-mit Angaben zyu Natur des Fachs, zum Ausbildungsziel, über die Kurse, zu den Anforderungen an die Studenter usw. Ich erinnere mich heute nicht mehr an alles, was der juristische Dekan, MEI Zufang, uns samals sagte, aber doch noch an folgendesÖ Die juristische Fakultät bilde in der Justiz Tätige und Rechtswissenschaftler aus. An ihnen habe China beim Wiederaufbau des Landes einen dringenden Bedarf. Seiner Ansicht nach genügten aber für den Rechtswissenschaftler Englischkenntnisse nicht. Er müsse auch Deutsch und Japanisch können. Also stele die juristische Fakultät höhere Anforderungen als die anderenIhre Studenten müßten innerhalb von drei Jahren Deutsch und Japanisch lernen. Wer das nicht wolle oder sich davor fürchte, sole eine andere Fakultät wählen. Die anderen Dekane bemühten sich, möglichst viele Studenten an ihre Fakultäten zu locken. MEI aber schreckte viele ab, die ursprünglich zu den Juristen gewollt hatten. Schließlich meldeten sich von den fast 200 Studenten gerade 9 zu den Juristen. In den folgenden drei Jahren mußten wir bis zum Abschluß täglich in die Deutsch-und Japanischkurse.

MEI selbst las über die allgemeinen Regeln des Zivilrechts, Schuldrecht, Gesellschaftsrecht, Internationales Privatrecht, Römisches Recht und zu ausgewählter Lektüre aus der deutschen Rechtsliteratur. Die letzten beiden Vorlesungen hielt er auf Deutsch. Daß ich mich bis heute mit dem deutschen BGB in Deutsch vertraut fühle, rührt daher. MEI war der Begründer der chinesischen Zivilrechtswissenschaft. Jahrzehnte spatter hat XIE die festländische Ausgabe von MEIs großem Lehrbuch besorgt.

1942 schloß XIE die Universität ab, 1944 bestand er die Staatsprüfungen als Bester bzw. Einer der Besten swines Jahrgangs, ab 1944 war er einer der jüngsten Richter Chinas, zunächst in Chongqing, dann in Taibei, wo er das Obergericht und 6 Amtsgerichte für die Regierung der Republik China von den abziehenden Japanern übernahm und die Entscheidungen der Japaner gegen patriotische Chinesen Fall für Fall aufhob, dann in Shanghai, wo er auch eine Hilfsprofessur an der Tongji-Universität bekam und über Zivilrecht und Zivilprozeßrecht las. 1949 blieb er anders als MEI auf dem chinesischen Festland und wurde am Pekinger ,, Seminar für das neue Recht Chinas,, umerzogenund dann selber erst dort, dann an der aus diesem Seminar entstandenen Zentralen Hochschule für politisch-juristische Kader Hilfsprofessor. Am 4.6.1957 erklärte er in einer öffentlichen DiskussionDie Volksrepublik-die 1949 alles bisherige Recht aufgehoben hatte-müsse nun endlich, schleunigst, Zivilund Strafgesetzbücher erassen, damit die Gerichte ihren Entscheidungen Recht zugrundelegen könnten. Da rechtliche Grundlagen fehlten, komme es jetzt zu zahlreichen Fehlurteilen. Daß keine Gesetze zustande kämen, schiebe man auf fehlerhafte Arbeitsweise, schlechte Organisation und was noch alles seiner Ansicht nach liege es aber an den Vorstellungen und Ansichten der führenden Genossen. Da man keien Mut zu neuer Gesetzgebung habe, glaube man, sich zu neuen Regeln,, vorantaste, sich immer auf,, Erfahrungenstützen zu müssenauf die Weise Komme man nie voranö man müsse auch grundlegende Lehren, theoretische Grundlagen haben, um Gesetze zu entwerfen, aber daran fehle es. Politische Richtlinien könnten das Recht nicht ersetzen. Die Fehlentscheidungen der vorangegangenen Säuberungsbewegungen seien zu korrigieren. In der Ausbildung der Staatsdiener müsse das Recht im Zentrum stehen, politische Bewegungen dürften nicht die Fachausbildung verdrängen. Diese tauge jetzt nichtsö zwar versorge man viel überflüssiges Personal, aber keine guten Lehrer, viele könnten nur Manuskripte vorlesen, und die ließen sie sich oft auch noch von alten Professoren schreiben und kapierten sie selber kaum.-Diese dann auch noch in der Volkszeitung veröffentlichte Kritik trug XIE 1958 die Kennzeichnung als extremer Rechtsabweichler,,Haupt der schwarzen Bande unter den Pekinger Juristen“)ein, er verlor seine Stellung und wurde ohne Gerichtsurteil zur Umerziehung durch Arbeit zuerst auf Staatsfarmen bei Peking, dann in eine Baubrigade nach Xinjiang befohlen. ,, Sein Verbrechen war das Recht,schreibt Prof. JIANG Ping in seinem Nachruf auf XIE.,, Eatürlich, alter Jurit und alte Rechtsauffassungen’… das konnte nur so enden.“)XIE mußte Schwerstarbeit leisten, u. a. im Winter beim Kanalbau. Aber mit Hilfe einer russischen fassung der Mao-Sprüche lernte er in dieser Zeit noch Russisch. Gelegentlich wurde er in Handschellen für ein paar Wochen mit dem Flugaeug nach Peking geholt, um in schwierigen Außenhandelsfällen auszuhelfen, dann wieder zur Arbeit ins Lager gebracht. Viel spatter sagte er einmal, als die Rede auf Xinjiang kam,, Ein schönes Landso große Trauben…“Mehr hat er nicht eizählt.

1979 wurde er rehabilitiert, kam nach Peking zurück, heiratete seine Frau wieder, die sich von ihm hatte scheiden lassen müssen, um in die Stadt zurückkehren zu können, und lernte seine jüngere Tochter kennen, die noch ein Säugling war, als er verhaftet wurde.

1979 wurde er Hilfsreferent später Referent, dann Professoram Juristischen Institut der Chinesischen Akademie für Gesellschaftswissenschaften und begleitete den damaligen Leiter des Instituts, SUN Yaming, und dessen Stellvertreter, Prof. WANG Jiafu, auf der ersten Reise volkschinesischer Juristen nach Deutschland. Es wr auch XIEs erste und von kurzen Besuchen in Hongkong, Japan und zuletzt Taiwan abgesehen einzige Reise außerhalb der Volksrepublik.

Volkschinesische Juristen waren in der Bundesrepublik damals seltene Vögel und wurde überall herumgereicht, aber XIE, ein kleiner Mann, hielt sich im Hintergrund und schwieg. Nur einmal, als er in einem Bücherschrank die Enneccerus-Bände sah, leuchteten seine Augen auf, er saget, auf Deutsch,, oh, alte Freunde! Nach diesen Bänden habe er damals in Sichuan studiert.

Wieder in Peking schwieg er durchaus nicht, sondern beteiligte sich lebhaft beim Aufbau des bis dahin praktisch nicht existenten Rechts der Volksrepublik. Heftige Diskussionen lieferte er sich vor allem mit dem Zivilrechtler TONG Rou, der noch ganz in sowjetischen Vorstellungen befangen war-und war gleichzeitig mit TONG eng befreundet und untröstlich, als TONG früh an Krebs starb. Sein Nachruf auf TONG, in dem er ihn als Freund und Diskussionsgegner rühmte, war ein Muster ehrlicher Zuneigung, in dem er doch beider Differenzen nicht verschwieg und TONG gerade deshalb pries, weil er stets andere Meinungen nicht nur gelten ließ, sondern für sie auch dankbar war. Das galt aber genauso für XIE selbst.

In vielen damals umstrittenen Punkten stellte sich XIE gegen die traditionell sowjetischen Positionen, so gegen Lenins Spruch,, Bei uns ist alles öffentliches Recht. Er trat für ein eigenes, dem öffentlichen Recht nicht untergeordnetes Zivilrecht ein, das auch das,, Wirtschaftsrechtmit umfaßte, von dem er freilich vieles kaum noch als Recht ansah warum ich mich denn mit sowas befasse, meinte er, als ich Fragen zum Wirtschaftsplanungsrecht stellte, das habe doch keine Zukunft. Recht hatte er.Er protestierte scharf, als der damalige Direktor seines Instituts die Unschuldsvermutung im Strafprozeß für kapitalistischen Unfug erklärte. Aber XIE blieb nicht bei allgemeinen Theorien, er führte die jüngeren Jursiten in viele Gebiete ein, die nach drei Jahrzehnten rechtloser Verwaltungswirtschaft für Studenten wie Praktiker damals unbegreiflich fremde Länder waren. Ein Beispiel dafür ist sein Büchlein über Wechsel-und Scheckrecht, das, seither längst hinter dicke Bände anderer Verfasser geschoben, sich seine kristallene Folgerichtigkeit und Klarheit auszeichnet.

XIE lebte mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern damals in zwei Zimmerchen im Institut, eigentlich nur in einem, denn das andere war ganz mit seinen Büchern und Zeitschriften vollgestopftdavor hockte der kleine Mann im blauen Anton sein Leben lang hat er nie etwas anderes getragenauf einem Schemel im Hof und las, las, las, wenn er sich nicht zwischen seine Bücher vor den wackeligen, nur durch Bücherberge im Lot gehaltenen Schreibtisch quetschte und eine seiner knappen, klaren Schriften verfaßte oder seinen Studenten lebhafte Reden hielt. Auch als er eine bequemere Wohnung bekam, waren immer noch die juristischen Hörsäle und Bibliotheken sein Heim.

Die Studenten liebten ihn, nicht nur für seine feurigen, klaren Vorlesungen, sondern auch, weil er auf jeden einging, mit seinem scharfen Verstand auch bei Ansichten, die er nicht teilte, das Wesentliche herausbrachte und würdigte. Für seine Kollegen war er, um nochmals JIANG Ping zu zitieren, die wandelnde Rechtsenzyklopädie. Gerade bei der Vorbereitung neuer zivilrechtlicher Gesetzgebung fragte man ihn um Rat,, wenn wir wußten, was er von der Sache hielt, waren wir beruhigt, schreibt JIANG, der in der Rechtskommission des Volkskongresses zahlreiche Reformgesetze auf den Weg gebracht hat.

XIE war 1949 auf dem Festland geblieben, weil er der neuen Macht glaubte, daß sie die Volksmacht war, und er hat sein Leben lang geglaubt, daß das Volk und damit die Vernunft schließlich siegen werde, auch wenn er immer wieder mit ansehen mußte und am eigenen Leib bitter zu spüren bekam, wie Mächtige die Vernunft mit Füßen traten, sich reformen entgegenstellten. So als Anfang der 1980er Jahre ein Zivilgesetzbuch verhindert wurde, als dann zwar mit den,, Allgemeien Grundsätzen des Zivilrechtsdoch noch eine Art Mini-BGB durchkam an dem JIANG Ping, TONG Rou, WANG Jiafu und wohl auch XIE selbst erheblichen Anteil hatten, aber der gleiche Mächtige, der schon kein Zivilgesetzbuch gewollt hatte, das Kapitel dieser Regeln zum internationalen Privatrecht bis zur Unbrauchbarkeit zusammenstrich-,,so ist das bei uns in China, sagte XIE,,, aber er wird nicht ewig leben, das Volk wird siegen, wir bekommen unser Zivilgesetzbuch schon noch. Er behielt recht, auch dieser Häuptling starb, und XIE hat Ende der 1990er Jaher großartigen, gewohnt kurzen, knappen, klaren Klassifikation der subjektiven Rechte unterstützen können, einer Arbeit, die auch auf neueste Entwicklungen wie das Problem der Leihmütter einging, und noch 2001 hable ich mit anhören dürfen, wie er mit all seinem alten Feuer in die Diskussion um das zukünftige Sachenrecht eingriff und für das Abstraktions-und Trennungsprinzip eintrat, das seine Schüler, Prof. LIANG Huixing und Prof. SUN Xianyhong, in ihrem Sachenrechtsentwurf vertreten hatten.

XIE ließ sich nie den Mund verbieten, auch wenn es gefährlich wurde. 1989 ging er Tag für Tag mit einer kleinen Kiste auf den Tiananmen-Platz, stellte sich auf die Kiste, damit man ihn nicht übersah, und sprach für die Demokratie. Nachdem die Panzer gekommen waren, wurden viele verhaftet, man wollte auch XIEs,, Fall untersuchen, aber WANG Jiafu stellte sich vor ihn, und schließlich wagte niemand, dem berühmten Gelehrten ein Haar zu krümmen.,, Das Volk wird schon noch siegen, sagte er wieder.

Ein großer Teil von XIEs Arbeit bestand in Rechtsvergleichung und Übersetzungen. Eindrucksvoll war z. B. seine knappe Zusammenfassung des volksrepublikanischen Kartellgesetzentwurfs im Vergleich mit dem taiwanesischen Wettbewerbsgesetz beide fand er rückständigoder seine umfassende Darstellung der großen Zivilgesetzbücher der Länder,, kontinentalen rechts, Frankreichs, Deutschlands, der Schweiz, Japans. Aber er ging auch in für China exotische Details, hat z. B. schon 1984 im Band über Recht der Großen chinesischen Enzyklopädie dem preußischen Allgemeinen Landrecht einen Artikel gewidmet. Immer ist er dabei zu den Quellen zurückgegangen, was er verwandte, las er im Original. Besonders viel Zeit hat er, bescheiden wie er war, der mühseligen und undankbaren Übersetzungsarbeit, auch der besonders undankbaren Korrektur der Übersetzungen anderer geopfert, angefangen mit Übersetzungen sowjetischer zivilrechtlicher Literatur bis hin zur Übersetzung der deutschen Zivilprozeßordnung. Daß China seine Verbindung mit der deutschen Rechtsfamilie nicht verloren hat, ist nicht zuletzt XIE zu verdanken. Doch er war nicht einfach Gefolgsmann des deutschen Rechts, er dachte historisch.,, Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert des Code Napoléon, das 20. das des BGBvielleicht wird das chinesisiche Zivilgesetzbuch das Gesetzbuch des 21.?“hoffte er.

So hell das feuer seines Geistes noch brannte, der Krebstod deiner Frau vor drei Jahren war dann doch ein schwerer Schlag für ihn, von dem er sich nicht mehr recht erholte. Egoistisch bedauere ich jetzt, und das geht wohl auch anderen so, daß ich ihn nicht noch öfter aufgesucht habe, um von ihm mehr zu lernen. Aber er schien manchmal doch schon müde.

Klug,klar, prinzipientreu, bescheiden und von großem Mut, war XIE, wie einer seiner Schüler sagte, ,, das reine Recht, das Ideal eines Juristen. Am 3.5.2003 ist er in einem Pekinger Krankenhaus gestorben.
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